(Kurz-)Geschichten

 

 

Das vergessene Dorf

Ein Dorf wird entdeckt

Es ist Anfang November. Der Weihnachtsmann sitzt mit seinen fleißigen Helfern in der Werkstatt und bastelt an den Geschenken für die Kinder. Autos, Puppen und Spielzeugeisenbahnen entstehen hier. Wunschzettel hat er zwar noch keine erhalten, aber er weiß ja, was sich Kinder so wünschen. Und wenn dann die Wunschzettel kommen, ergänzt er, was noch nicht gefertigt wurde und liefert zu Weihnachten dorthin, wo es bestellt wurde. Jeden Tag macht sich einer seiner Zwerge auf den Weg, um Wunschzettel einzusammeln. Aber besonders viele sind es ja noch nicht, die da auf den Fensterbrettern liegen, um mitgenommen zu werden.
 Manchmal, in früherer Zeit, reisten die Zwerge auch nach Tauben, einem ganz am Ende der Welt liegendem Ort, eher einem ganz winzigen Dörfchen. Aber jetzt, in letzter Zeit sind sie einfach nicht mehr hingekommen. Vielleicht, weil der Weg zu weit war, vielleicht, weil sie zu faul waren, wer weiß. Und so geriet dieses kleine Nest einfach in Vergessenheit und niemand wusste mehr von ihm.
Doch da - eines Tages entdeckten zwei ganz kleine, freundliche Zwergenkinder dieses kleine Örtchen. Tief verschneit liegt es da, denn inzwischen ist es bereits Dezember. "Schau mal", flüsterte Kiri, das Zwergenmädchen, "was ist denn das?" "Ein kleines Dorf", staunte Kep, ihr kleiner Bruder. "Du, ich glaub`, wir sind die ersten, die von diesem Dorf wissen", vermutete Kiri. "Aber wie heißt das Dorf überhaupt?" "Schau mal, dort drüben: Dort ist ein Schild." "Das ist ja ganz zugeschneit. Ich versuche einmal, es zu lesen." Wie ein Schatten huschte Kiri zum Schild. Sie reckte und streckte sich ordentlich, um zu erkennen, was darauf stand. Doch vergebens. Oder? Nein, da drüben lag eine Rute, die die schlaue Kiri benutzte, um den Schnee wegzuwischen. Jetzt konnte sie ohne Mühe lesen, was daraufstand. "Und , wie heißt es?" rief Kep ungeduldig von seinem Standort aus. "Tauben", antwortete seine Schwester.
Währenddessen saßen die Erwachsenen dieses Dorfes im Gemeindehäuschen beisammen und besprachen ihre gegenwärtige Lage. "Der Weihnachtsmann hat uns einfach vergessen. Manche Kinder wissen noch nicht einmal mehr, was Weihnachtsgeschenke sind. Jahrelang haben wir gehofft, dass unsere Kinder wieder beschenkt werden. Doch die ganze Wartezeit war umsonst", klagte der Bürgermeister. "Umsonst", echote jemand traurig. Es war aber auch schlimm. Tauben bestand nur aus einigen windschiefen Hütten, einer ebenso windschiefen Kirche und einem sehr winzigen Gemeindehäuschen.

Die Dorfstraße war nur festgefahrene Erde und die kleine Dorfschule war schon längst sehr renovierungsbedürftig. Das Dorf hatte jedoch weder Geld, noch Kontakt zu dem 300 km weit entferntem Porisliem. Dies war übrigens der nächste Ort. Ansonsten gab es hier nur Wald und einige Wiesen, auf denen das wenige Vieh des Dorfes weidete, sowie einige Felder auf denen das Getreide mehr oder weniger gut gedieh. Der Boden war nämlich nicht allzu fruchtbar.
Die beschriebene Gegend besichtigten Kiri und Kep gerade, als die Gemeindesitzung beendet wurde und ein Bauer mit seinem Pferdegespann herankam. Die beiden Geschwister duckten sich hinter einen Busch, doch zu spät, der Bauer hatte sie schon gesehen. "He, ihr zwei Winzlinge ihr! Wo kommt ihr denn her? Und was habt ihr hier zu suchen? Kommt mal mit!" rief der Mann. Die zwei Zwerge fügten sich und begleiteten den Bauern nach Hause. Tauben war ja sehr klein und so waren alle Dorfbewohner schnell herbeigerufen. Vor allen (erwachsenen) Leuten erzählten Kiri und Kep nun, wer sie waren , wie sie hierher gekommen waren, woher sie kamen, was sie hier wollten und wohin sie eigentlich wollten, schließlich waren sie ja nur aus Versehen hier hergekommen. "Und jetzt wandern wir wieder nach Hause und erzählen dem Weihnachtsmann von euch. Wir haben euch immerhin entdeckt und sind die ersten außer euch, die von euch wissen. Ach so, ihr werdet nicht wissen, was ein Weihnachtsmann ist. Also, dass ist...", an dieser Stelle wurde Kiri unterbrochen. "Nein, ihr seid nicht die ersten, die von uns wissen. Und wir wissen sehr wohl, was ein Weihnachtsmann ist. Er hat uns jahrzehntelang einfach vergessen. Ihr zwei habt uns nur wiederentdeckt. Berichtet ihm nur von uns und sagt ihm, er soll uns nicht wieder vergessen. Und ich glaube fast, der Weihnachtsmann erinnert sich noch dunkel an uns. Euer Zwergenvolk hat uns vergessen, nicht er!" der Bürgermeister hatte sich in Fahrt geredet und verstummte erst jetzt, um Luft zu holen. Wer weiß, was die beiden sich noch alles hätten anhören müssen, wenn sie jetzt die Gelegenheit nicht genutzt hätten, um Abschied zu nehmen.

***

Hilfe für Tauben

In der Weihnachtswerkstatt erzählten sie sofort von ihrem Erlebnis. Tatsächlich, der Weihnachtsmann und auch einige ältere Zwerge erinnerten sich. "Soso, vergessen haben wir das Dorf?! Ich gebe ja zu, ich habe wirklich nicht mehr daran gedacht, aber vergessen haben es die Zwerge gewiss nicht. Waren eher zu faul, den weiten Weg auf sich zu nehmen, als dass sie das Dorf vergessen hätten. Haben doch bis zum heutigen Tage dran gedacht, die Luder!" Und dann begann ein Werkeln und basteln, wie es nicht zu beschreiben ist. Musste doch alles noch bis Heilig Abend fertiggestellt werden. Zwerge wurden in Begleitung von Kiri und Kep nach Tauben geschickt, um die Wünsche der Bewohner zu erfragen. Ein großer Entschuldigungsbrief wurde geschrieben und alles für das große "Weihnachtsrenovieren" vorbereitet. Was ist "Weihnachtsrenovieren"? Am Heilig Abend rückt eine Zwergenmannschaft aus, um Schäden auszubessern, kleine Gebäude zu errichten oder um zu gestalten. So eine "Weihnachtsrenovierung" war also auch für Tauben geplant. Nun ja, nötig war dies auf jeden Fall. Ich habe euch ja schon beschrieben, welche Zustände in Tauben zu dieser Zeit herrschten. Dann endlich war es soweit. Am Morgen des 24. Dezembers setzte sich der Weihnachtsmann mit ein paar fleißigen Helfern in seinen schnellen Schlitten und flog los.

Durch das ganze Land reisten sie, um die Kinder zu beschenken. Erst gegen Abend gelangten sie nach Tauben. Das war allerdings so geplant gewesen, denn schließlich sollte in Tauben das große "Weihnachtsrenovieren" stattfinden. Die Kinder standen ungeduldig wartend vor den Stubentüren und die Erwachsenen standen an den Fenstern und hielten nach dem Weihnachtsmann Ausschau. "Seht, dort kommt er ja!" rief einer erfreut aus. "Wo?" "Na, da drüben. Er kommt auf seinem großen Schlitten angeflogen!" "Geht doch mal weg, wir wollen auch was sehen!" riefen die Kinder ungeduldig. Da - der Schlitten hielt genau vor der Tür des Gemeindehauses. Sofort stürzten alle aus ihren Wohnungen. Ein Wichtel verlas eine Namenliste und die Aufgerufenen konnten sich ihre Geschenke holen.

***

Der beschenkte Weihnachtsmann

Und dann kam die Überraschung! Genauer gesagt waren es gleich zwei Überraschungen! Die eine Überraschung hatten die Dorfbewohner vorbereitet, und die andere kennt ihr ja, das "Weihnachtsrenovieren". Also, ich muss euch das schon erzählen, denn solch eine Freude und Überraschung erlebt man ja nicht alle Tage. Ich werde es deshalb in Dialogform wiedergeben.

Bürgermeister: Ja, was soll denn das werden?
Weihnachtsmann:
Das wird das große "Weihnachtsrenovieren".
Dorfbewohner:
Was ist denn das?
Wichtel:
Da werden Schäden ausgebessert, kleine Gebäude errichtet oder etwas wird gestaltet.
Bürgermeister:
Und diese Aktion wollt ihr also jetzt in unserem Dorf starten. Wirklich toll!
Weihnachtsmann:
Klar, euer Dorf hat’s schließlich auch nötig.
Bürgermeister:
Vielen Dank!

Doch bevor die Wichtel mit dem großen "Weihnachtsrenovieren" beginnen konnten, hatten auch die Dorfbewohner ein Anliegen.

Bürgermeister: Ihr habt uns eine sehr freudige Überraschung bereitet. Aber auch wir haben noch etwas schönes für euch. Bessie, komm vor!
Bessie:
Wir haben eine ganze Menge Geschenke für euch. Selbstgeerntete Nüsse, selbstgestrickte Kleidung und selbstgebackener Kuchen. Hier, bitte schön.
Weihnachtsmann und Wichtel im Chor: Danke schön! Das hätten wir wirklich nicht erwartet!

Luise Kamusella

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