2 Die Entstehung des Liberalismus
2.6 Die Industrielle Revolution
2.6.2 Die
Industrialisierung Deutschlands
Im Gegensatz zu England fanden sich in den deutschen Staaten
äußerst ungünstige Voraussetzungen für eine Industrialisierung, da diese in
vielerlei Hinsicht sehr rückständig in ihrer Entwicklung waren.
Das Verkehrsnetz war sehr schlecht ausgebaut und Transporte
über längere Strecken durch die kleinstaatliche Zersplitterung erschwert -
ständige Zollschranken, uneinheitliche Maße und Gewichte usw. machten den
Handel sehr mühsam und kostenaufwändig. Auch war das Staatsgebiet sehr
weitläufig, sodass für einen Austausch zwischen allen Gebieten sehr weite
Entfernungen zu überwinden waren. Ein Problem war auch die Frage nach
Rohstoffen, da Deutschland kaum Kolonialgebiete besaß, welche Baumwolle oder
andere wichtige Ressourcen hätten liefern können.
Ein weiteres Hindernis stellten Gesellschafts- und
Wirtschaftsstruktur dar. Die Arbeiter waren in der damaligen geschlossenen
Agrargesellschaft aufgrund von Ständeschranken und Zunftzwang unflexibel und
nicht einfach frei verfügbar; auch wurde die Wirtschaft durch den Staat
nicht nur sehr beschränkt, sondern teils regelrecht behindert.
Ein Wandel war schließlich Napoleon zu verdanken - durch ihn
wurde in Politik und Gesellschaft ein Modernisierungsdruck geschaffen, der
sich z.B. in den Preußischen Reformen niederschlug (zum Vortrag:
hier; zum Überblick:
hier). Dadurch wurden mehr Freiheiten
geschaffen, zugleich waren jedoch durch das Regulierungsedikt viele Bauern
verarmt, welche nun als freie Arbeitskräfte der Industrie zur Verfügung
standen.
Die industrielle Entwicklung in Deutschland lässt sich in
zwei Phasen einteilen:
1. Schwerindustrie (1835-1870)
Weitere günstige Voraussetzungen schuf 1834 die Gründung
des Deutschen Zollvereins, wodurch endlich eine gewisse Einheit auf
wirtschaftlicher Ebene erreicht wurde. Der Eisenbahn begegnete man zuerst
mit Skepsis, doch als der erste Schritt getan war, kam die
Industrialisierung in Gang. Denn durch die Eisenbahn konnte nun endlich
viel schneller und billiger transportiert werden, das Verkehrsnetz war
besser ausgebaut als früher. Zum anderen gab die Eisenbahnentwicklung auch
für viele andere Branchen den Impuls zu Innovationen. Insbesondere die
Zulieferbranchen erlebten einen Aufschwung - durch mehr Absatz konnte
natürlich auch mehr investiert werden - Eisen-, Stahl- und
Maschinenbauindustrie blühten auf, verstärkten sich in ihrem Wachstum
gegenseitig und übertrugen den Impuls auch auf andere Gewerbe.
Allgemein wurde die Industrialisierung in Deutschland
durch das Vorbild Großbritanniens sehr begünstigt, da man nicht alles neu
erfinden musste, sondern von Vorhandenem profitierte. Der gesamte Prozess
wurde auch durch den Staat - allen voran Preußen - unterstützt, sowohl
finanziell als auch durch mehr wirtschaftliche Freiheit.
2. Wissenschaft (nach 1870)
Durch die Reichsgründung 1871 bekam die Industrialisierung
noch einmal neuen Schwung: der Gewinn des deutsch-französischen Krieges
brachte nicht nur die Einheit Deutschlands, sondern auch fünf Milliarden
Goldfranc und das Rohstoffgebiet Elsass-Lothringen. Somit kam es während
der "Gründerjahre" zu einem regelrechten Wirtschaftsboom, der 1873 im
"Gründerkrach" ein jähes Ende fand. Überspekulation und Überproduktion
zogen Preisverfall, Bankrotte und ungeheure Arbeitslosigkeit nach sich, in
den Industriezentren herrschte soziale Not. Das Problem bestand nicht nur
in Deutschland, sondern global als Weltwirtschaftskrise.
Erst ab etwa 1890 konnte die Wirtschaft wieder ein
stärkeres Wachstum verzeichnen, durch Maschinenbau, chemische Industrie,
Elektroindustrie und Städtebau erhielt sie wieder neuen Antrieb. Es war
die Zeit der Wissenschaft angebrochen; das Zeichen "Made in Germany" wurde
zum Qualitätssiegel.
Zu welchen Ergebnissen hatten all diese Prozesse nun
geführt? Es waren Ballungszentren und Großstädte entstanden, die
Arbeitsproduktivität war wesentlich gestiegen - dank neuer Verfahren,
Erfindungen und Energiequellen. Zugleich jedoch bildete sich immer mehr eine
Zwei-Klassen-Gesellschaft heraus, in welcher sich die Gegensätze zwischen
Arbeiterschaft und Unternehmertum zunehmend verstärkten.
Industrielle Revolution in
Großbritannien
Soziale Frage |